Der Wert des Bildes – Wertschöpfung oder wer verdient an Bildern was?
Claudia Gerdes formulierte 2020 in der PAGE so treffend: „Revolutionen passieren im Internet heutzutage oft fast unmerklich.“ Ging es damals Änderungen bei der Google-Suche, sind es jetzt kleine Änderungen der Geschäftsmodelle von Social-Media-Plattformen.
Fotografi:inn:en müssen sich intensiv mit einer kommerziellen Bewertung ihrer Werke auseinandersetzen. Das ist nichts Neues, aber ein neues Feature bei Instagram stellt die Verwertungskette von Urheberleistungen unter neuen Vorzeichen wieder in Frage.
Für viele Fotograf:inn:en ist Instagram die bevorzugte Plattform zur Portfoliopräsentation.
Visuell orientiert, junge, kreative Nutzer und Besucher – die Chance, als Fotograf:in von relevanten Zielgruppen wahrgenommen zu werden, Aufträge zu generieren sei groß, so das Versprechen. Verlage und Werbeagenturen bestätigten regelmäßig, dass Instagram eine wichtige Quelle bei der Suche nach Fotograf:inn:en sei.
Der Instagram-Account ist für professionelle Fotografi:nn:en fast ein Muss. Das Image von Instagram lebt davon, hochwertigen visuellen Content zu präsentieren.
Wenn Bilder, Videos auf Instagram gestellt werden, steht in den Lizenzbedingungen von Meta: „Wir beanspruchen nicht das Eigentum an deinen Inhalten, sondern du gewährst uns eine Lizenz, sie zu nutzen…. damit wir den Instagram-Dienst zur Verfügung stellen können.“
Urheber:inn:en bleiben Eigentümer:in des Werkes, aber alle Nutzungsrechte werden an Meta abtreten, damit Meta an den Bildern verdient? In den Anfangszeiten von „Social-Media“ war die Angst groß, die Plattformen können die Bilder für eigene Anzeigen und Kampagnen nutzen, was nicht eingetreten ist. Auch dass Plattformen die Bilder an Dritte zur Nutzung lizenzieren wollten, hat sich nicht erfüllt. Daher alles gut? Super-Plattform zur Präsentation und Eigenwerbung? Die eigene Website zweitrangig, solange es viele Follower auf „Insta“ gibt?
„We are no longer a photo-sharing app“
So liess CEO Adam Mosseri am 01.06.2021 verlauten. Instagram sieht sich in Konkurrenz mit TikTok, YouTube… Instagram „will shift to entertainment, video and shopping“ (https://petapixel.com/2021/07/01/instagram-head-instagram-is-no-longer-photo-sharing-app/).
Die Meta-Tochter postet stolz am 18.04. 2022: „Jetzt geben wir jedem Zugang (zum Tagging), um diejenigen zu inspirieren, die ihm am nächsten stehen, indem wir die Produktkennzeichnung in Beiträgen aktivieren. Von der Unterstützung von Marken, die Sie lieben, bis hin dazu, Ihren Freunden und Ihrer Familie zu helfen, neue Produkte zu entdecken, die ihnen gefallen könnten, ist das Teilen von Produkten auf Instagram jetzt noch einfacher.“ (https://about.instagram.com/blog/announcements/instagram-feed-product-tagging)
Noch gibt es das Feature nur in den USA für Nutzer mit öffentlichen Konten – es ist eine Frage der Zeit, bis Nutzer in Europa dieses nutzen können. Die Accounts von Fotografin:en sind naturgemäß international und öffentlich… Was heisst das für Urheber:inn:en?
Das Bild wird zur Werbefläche für Fremde – ohne Kontrolle durch Urheber:inn:en
Das T-Shirt beim Portrait? Das Möbel beim Life-Style-Shooting? Die Location in der Reisereportage? Waffen im Pressebild zu Krieg oder Kriminalität? Der Phantasie möchte man gar keinen freien Lauf lassen…
Die Möglichkeit „Tagging“ war bisher eine Option der Bildnutzung, die Fotografi:inn:en mit ihren Auftraggeber individuell per Vertrag vereinbart haben. Indem Instagram / Meta dies für private Nutzer der Plattform möglich gemacht hat, kann jede(r) User:in dem eigenen Gutdünken nach nach Bilder / Videos taggen, ohne dass Urherber:inn:en darüber Kenntnis haben.
Und das Urheberrecht- ausgehebelt?
Das Problem stellt sich damit prinzipiell. „Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.“
Aspekte des Urheberpersönlickeitsrechts nach UrhG § 14 werden damit außer Kraft gesetzt: berechtigte geistige oder persönlichen Interessen am Werk – ich bestimme, wer meine Werke – auch inhaltlich – wie benutzt, sind nicht mehr kontrollierbar.
Worst Cases siehe oben: das Reportagebild aus aktuellen Kriegen wird getagged zu Gunsten von Waffenherstellern, Kommunikationsmitteln, Outdoorausrüstern, Anbietern von Söldnerdiensten… möglichem Kontext für Tags sind keine Grenzen gesetzt. Wer taggt und wohin die Tags verweisen, können sich Fotograf:inn:en in diesem Modell nicht aussuchen.
Natürlich wird sich Meta Kundenkontakte, die über die Tags bei Instagram entstehen, von den Unternehmen zahlen lassen – von Vergütung der Urheber:inn:en ist selbstverständlich nicht die Rede.
Instagram wird nicht die letzte Plattform sein, die sich inhaltlich verändert, Geschäftsmodelle anpasst.
Abgesehen davon, ob und wie das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz diese Bildnutzungen auffangen kann oder will, stellt sich Fotograf:inn:en die Frage: wie damit umgehen? Wie und wo Eigenwerbung, Markenpflege, Community-Building betreiben? Ich habe keine Lösung, die auf der Hand liegt.
Bleibt zum Schluss die Feststellung:
“Being famous on Instagram is basically the same thing as being rich in Monopoly” hat ein Geschwister bekommen „Being famous on Instagram is basically the same thing as making Meta rich“
Beitragsbild: © Sabine Pallaske Fotografie Entwurf Geldschein © deroffenbachshop.de
Hallo. Interessanter Post, danke dafür. Wie sieht es denn mit Bildern aus, die eine Urheber-Kennzeichnung haben? Ist das dann für gewerbliche Tagger nicht unattraktiv?
Hallo Chris – warum sollte das für gewerbliche Tags unattraktiv sein? Die Tags werden im beschriebenen Fall ja nicht von den Gewerbetreibenden / den Unternehmen selbst gesetzt, sondern von beliebigen Privatpersonen. Wie willst du mit oder ohne Urheberkennzeichnung gegen diese vorgehen? Unternehmen sind beim Setzen der Tags in dem Fall aussen vor – sie nehmen die generierten Klicks auf ihre Shops / Websites natürlich gerne in Kauf…