2021 – was ist Bildmarkt heute?

Chaos oder Baustelle - es liegt auch an den Urhebern visuellen Contents

„Disruption“ – Unordnung oder sogar Zerstörung – beschreibt wohl am besten, was auf dem Bildmarkt passiert. 

Betroffen sind die Urheber visuellen Contents – Fotograf*inn*en, Grafiker*innen, Filmer*innen. 

Der Honorarverfall bei Nutzungslizenzen scheint nicht mehr aufhaltbar. Die Honorare für Inhalte, die über Medien- oder Microstockagenturen angeboten werden, sinken von Jahr zu Jahr. 

Aber auch die Nutzer von visuellem Content müssen sich in einem Markt zurechtfinden, der nicht mehr das ist, was er vorzugeben scheint. Vertragssicherheit ist nicht mehr selbstverständlich.

Von Urheberseite gesehen sind tradierte Geschäftsmodelle unter Druck. 

Das Vertrauen in einen Markt, der selbstregelnd hochwertige Fotografie, hochwertigen visuellen Content höher bewertet, schwindet bei den Urheber*innen. 

Die „Uberisierung“ von Aufträgen durch Gebote durch Kunden, das Reagieren auf Anfragen nach der „kostengünstigsten Lösung“ auf Abruf ist das Geschäftsmodell von immer mehr Vermittlungsplattformen. Betriebswirtschaftlich berechneten Stundensätze treten in Konkurrenz zur möglichen Menge erzielter Aufträge. In der Regel verlieren die Stundensätze. Das jeweilig billigste, nicht das preiswerteste, rechtssichere Angebot gewinnt. Scheinbar gut für den zentralen Einkauf der Bildnutzer –  schlecht für Urheber. Letztendlich auch schlecht für den professionellen Nutzer, geht doch die ästhetische und technische Qualität verloren, wenn durch extremen Kostendruck an Equipment, Aufwand, Zeit für Konzeption gespart werden muss – von professioneller Rechteklärung ganz zu schweigen. Lassen sich durch Aufträge nicht einmal mehr die Gestehungskosten generieren, wird der erlernte Beruf zum Hobby, das man sich nicht mehr leisten kann. Es liegt auch an den Urheber*innen, sich auf solche Geschäftsmodelle einzulassen, die jedem Anderen Gewinne bringen ausser ihnen selbst.

Die Urheberrechtsreform – der große Wurf?

In 2021 steht die Verabschiedung des neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG-E) an. Die BRD muss geltende EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Erklärtes Ziel ist es, Urheber*innen die Nutzung ihrer Werke auf datenweitergebende Diensteanbietern (Online Content Sharing Service Provider, kurz OCSSPs) wie Facebook, Instagram, Snapchat und anderen angemessen zu vergüten. Die Entwürfe allerdings lassen schlimmes ahnen. 

Der Gesetzentwurf ist eindeutig auf die die Nutzer zugeschnitten, urheberseitig werden vor allem Produzenten/Urheber von Musik und Filmen sowie Verleger berücksichtigt, auf die Probleme von Urhebern „statischen“ visuellem Content, von Einzelbildern wird nicht ausreichend eingegangen. 

Stichworte wie Bagatellnutzung, Pauschalvergütung, erweiterte Kollektivlizenz geistern durch die Diskussion.

Von digitaler „Blauäugigkeit“ zeugen schon die Vorgaben zu Bildgrößen, an denen Bagatellnutzung festgemacht wird. Statt auf die tatsächliche Größe in Pixel einzugehen, wird die Dateigröße als Maßstab genommen: jede Datei lässt sich komprimieren, ein Bild mit 5200 Pixeln /lange Seite lässt sich ohne Probleme bei entsprechender Komprimierung mit 250 KB speichern.

 Aus Urhebersicht grundsätzlich richtig scheint der Ansatz,  die Diensteanbieter in die Pflicht zu nehmen, profitieren sie ja am meisten von der Verbreitung von visuellem Content durch höhere Klickrates, längere Verweildauer, gesteigerte Reichweite und Werbewirksamkeit etc. 

 Laut Entwurf sind die Online Content Sharing Service Provider für die öffentliche Wiedergabe von durch ihre Nutzer hochgeladene Inhalte nun grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich und können sich nur durch die Einhaltung konkret geregelter Sorgfaltspflichten von ihrer Haftung befreien. Hierzu zählt die Pflicht, bestimmte Lizenzen für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben (§ 4 UrhDaG-E). 

Verwertungsgesellschaften und kommerzielle Nutzung

Die Vergütung von „Privatkopien“ über einen Vertrag der Verwertungsgesellschaften wie die VG BildKunst oder die Kollektivlizenzen für wissenschaftliche Digitalisierungsprojekte (eine Analogie zur Bibliothekstantieme der VG Bildkunst) im Rahmen des Zweitverwertungsrecht bei Nutzungen gemäß der Schrankenbestimmungen des UrhG scheint sinnvoll. Wie Mitglieder der VG BildKunst wissen, sind solche Ausschüttungen allerdings eher ein Taschengeld, ein Zubrot. Von Erhalt der Lebensgrundlage von Kreativen, von Urheber*innen kann hier nicht die Rede sein.

Es bleibt vieles ungeklärt. Problematisch ist vor allem die Frage, wie sich denn tatsächlich nichtkommerzielle Nutzung, die „Privatkopie“, die Bagatellnutzung definiert, wer die kommerzielle von der privaten Nutzung trennt.

Von erstaunlicher Naivität ist die Definition von „Bagatellnutzung zu nicht kommerziellen Zwecken“ im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: diese wird gleichgesetzt mit „User Generated Content“. 

Wer die nichtberechtigte kommerzielle Nutzung verfolgt und die Honorare/Lizenzen für diese Nutzungen eintreibt, bleibt offen. Die Kontrolle von Bildnutzungen auf Websites ist mit mehr oder weniger großem Aufwand machbar, den Upload von Bildern auf Accounts bei Online Content Sharing Service Provider nach zu verfolgen ist für den normalen Urheber kaum möglich. Urheberinformation aus Exif und IPTC sind leicht manipulierbar und werden generell von Seiten der Plattformbetreiber wie Facebook und anderen beim Upload gelöscht. Zwar sind im Gesetzentwurf Beschwerdeverfahren für Streitigkeiten zwischen Plattformen (OCSSPs), Rechteinhabern und Nutzern geplant, diese verlagern die Auseinandersetzung bei unberechtigter Nutzung nur und komplizieren diese noch durch die dritte Partei der OCSSPs.

Das Problem der unberechtigten Nutzung und der angemessenen Vergütung bei digitalen Nutzungen ohne Genehmigung des Urhebers bleibt also bestehen. Fragen nach der Zuständigkeit für Rechte Dritter wie z.B. Persönlichkeitsrechte Abgebildeter oder Freigaben für Immobilien aus nicht-öffentlichem Aufnahmestandpunkten (Innenaufnahmen, Betriebsgelände usw.) werden überhaupt nicht geklärt.

Im Zweifelsfall werden die nichterlaubten Nutzungen noch zunehmen, da sich Nutzer ermutigt fühlen, Uploads generell als erlaubte Nutzung zu sehen, weil ja der Plattformbetreiber für die Lizenzierung zuständig sei. 

Eine Branche ohne Selbstbewusstsein

Die „Nutzerinteressen“ an einem „freien“ Internet ohne Urheberansprüche wurden massivst von viele Lobbyisten  und selbsternannte Netzaktivisten propagiert – aus welchen Beweggründen auch immer. Letztendlich haben sich diese Interessengruppen durchgesetzt.  Urheber*innen aus Fotografie, Videografie und Grafik haben sich in dieser Debatte erstaunlich still verhalten. 

Dies mag in 2020 auch Corona geschuldet sein, dem Existenzkampf wegen weggebrochenen Umsätzen und fehlender staatlicher Unterstützung für die meist als Solo-Selbstständigen tätigen Kreativen. 

Allerdings war auch in den Jahren vorher von den Urheber*innen aus Fotografie und Grafik wenig zu dem Thema Bildmarkt oder Urheberrechtsreform zu hören. Mögliche Projekte zu gemeinschaftlichen, verbandsübergreifenden auch technischer Lösungen wie z.B. die Schaffung einer gemeinsamen Plattform zur Vergabe einer eindeutigen Werk-ID wurden und werden nur sporadisch andiskutiert und verlaufen meist im Sande. 

Es ist an der Zeit, dass sich Urheber*innen im visuellen Bereich selbst ernst nehmen und über Verbands-und Einzelinteressen hinaus gemeinsam an Lösungen arbeiten, selbst zur eigenen Lobby werden. Das wäre ein Plan für 2021…

 

Bildquelle Beitragsbild: © Sabine Pallaske Fotografie

 

2 Kommentare zu “2021 – was ist Bildmarkt heute?

  1. Werner

    Damit kann sich jeder für umsonst an meinem Bildmaterial bedienen. 250kb, das ist ein Witz. Gibt Bildformate die selbst hochauflösend auf so eine Dateigröße speichern. Glaube brauche ein neues Geschäftsmodell…

  2. Sabine Pallaske

    Hallo Werner, das ist genau das Problem des Referentenentwurfs und wahrscheinlich auch des kommenden Gesetzesentwurfs: die Probleme von Urheber*innen visuellen Contents sind nicht ausreichend berücksichtigt. Das Geschäftsmodell „Fotografie“ leidet allerdings nicht nur darunter, sondern auch der „Markt“ hat sich verändert (siehe Umsonstangebote, Bieterplattformen etc.). Eine Teilschuld trägt auch die Branche selbst: Fotograf*innen haben sich zu spät und nur vereinzelt mit der Problematik auseinandergesetzt. Es gibt auf der einen Seite viele Fotograf*innen, die den Abwärtstrend bei Honoraren bis zur Unwirtschaftlichkeit/Geschäftsaufgabe mitgemacht haben, um überhaupt Umsätze zu generieren, es gibt aber auch Urheber*innen, die ihren Kunden den Wert ihrer Arbeit konsequent und erfolgreich kommuniziert haben.

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