„Das Weinfest“ von H.G. Merkel
Unter dem Titel „Die ganz und gar andere Bildbeschreibung“ beleuchten wir auch Aspekte des Bildschaffens, die beim Betrachten des Bildes zwar nicht sichtbar, aber entscheidend für die künstlerische und kommerzielle Verwendung sind – und damit auch für den Erfolg.
Das Bild „Weinfest“ des Landauer Fotografen Hans-Georg Merkel erzählt die Geschichte eines lauen Spätsommerabends an dem eine Gruppe von Menschen in einer ländlichen Umgebung zusammengekommen ist um das Leben zu feiern. An einem langen Tisch unter einem prächtigen Baum gehen sie dabei ausgelassen und fröhlich, aber nicht hysterisch zur Sache. Links bringt die Wirtin bereits Nachschub an Wein – das Fest hat also nicht erst eben begonnen. Vorne links tanzt ein Paar, doch nach welcher Musik?
Vielleicht noch zwei Details. Am linken Bildrand hinter einer Mauer ragt ein Kopf hervor. Das Gemäuer trennt ihn von der Feier. Was mag der Grund sein? Der Fotograf lässt uns mit dieser Entdeckung allein. Und in der Bildmitte beobachtet das einzige Kind die Tanzenden. Ihm kommt die zentrale bezugsbildende Rolle innerhalb der bildlichen Erzählung zu. Durch diesen Jungen wird die generationenübergreifende Gruppe am Tisch zu einer Familie.
Das unübersetzbare Wort „Gemütlichkeit“ drängt sich auf, allerdings ohne die darin so häufig mitschunkelnde Volkstümelei. Alles in allem spürt man förmlich das zufriedene Grinsen des Fotografen hinter der Kamera. Dennoch schwebt über ihm etwas nahezu Unkalkulierbares – eine unsichtbare dunkle Wolke, gefüllt mit endlos erscheinenden Fragen.
Das Zentrum dieser Wolke bilden neunzehn Model Releases für die erwachsenen Darsteller und ein Model Release für das Kind (natürlich von beiden Elternteilen unterschrieben) – alles inklusive klar definierten, vom Darsteller freigegebenen Nutzungsmöglichkeiten. Also wie wird das Bild verwendet? Werblich oder redaktionell? Nur Print oder auch Web oder sogar Social-Media? Nur für den Zweck, der dem Shooting zu Grunde liegt oder auch darüber hinaus? Darf der Fotograf das Bild zur Eigenwerbung nutzen oder weiteren Kunden zur Verfügung stellen oder als Stockmaterial über Bildagenturen verwerten oder …?
Das Recht am eigenen Bild hat Jedermann – auch Models. Das bedeutet, dass dieser Umstand hier gleich zwanzigmal berücksichtigt werden muss und jeder einzelne der Model-Verträge muss alle vom Fotografen und vom Auftraggeber gewünschten Nutzungen beinhalten. Dazu kommen mögliche individuelle Einschränkungen der Models (wie z.B. nicht in Verbindung mit Alkoholika, Tabak, Medikamenten, Krankheiten) oder Jugendschutzbestimmungen (abgebildete Minderjährige, gesetzliche Grenzen, Werbeverbote).
Beim Buchen der Models über eine Agentur konnte der Fotograf dies alles bereits im Vorfeld regeln und die Verträge sorgfältig lesen, besonders im Hinblick auf Ausschlussklauseln und den Nutzungsrahmen. Sind die Darsteller Privatpersonen oder Amateurmodels sollte er die Nutzung sorgfältig beschrieben und vor allem die Vergütung eindeutig geregelt haben.
Wo die Aufnahme entstanden ist, kann der Betrachter in diesem Fall nicht erkennen. Aber die Location ist eindeutig kein öffentlicher Raum auch wenn sie vielleicht als Biergarten jedermann zugänglich ist. Eigentümer und Besitzer hätten die Aufnahme auf eigenem Grund verweigern oder Kosten für die Nutzung geltend machen können. Dies gilt nicht nur für eindeutige Privatgrundstücke und Innenräume, sondern auch für Museen, Bahnhöfe, Flughäfen und kann sogar für Parks oder öffentliche Anlagen gelten (wenn es eine entsprechende Parkordnung gibt und das Gelände im weitesten Sinne umfriedet ist).
Die Komplexität des Bildes impliziert, dass der Fotograf nicht allein zu Werke ging sondern mit der Unterstützung durch ein Team. Und da stellt sich die Frage: Sind die Beiträge für Assistenten, Postproduktion, Models, Stylisten, Haar- und Make-Up-Artist an die Künstler Sozialkasse abgeführt worden? Aber das führt ins Reich der Sozialversicherung und das ist ein ganz eigenes Thema…
Sind alle diese Dinge geklärt bleibt ein Bild zurück, dass die Geschichte einer Familienfeier an einem lauen Sommerabend voller ausgelassener Harmonie erzählt.
Das Bild „Weinfest“ von H.G. Merkel wurde vorgestellt von Thomas Hobein und Sabine Pallaske.
Bildquelle Beitragsbild Überschrift: Hans-Georg Merkel