Irgendwo zwischen obste und wennste… Von der Grauzone, in der sich fotografierende Journalisten und Blogger bewegen

© Thomas Hobein

Datenschutz und Fotografie – noch immer ist nicht geklärt, wie damit umzugehen ist. Zumindest für Pressefotografie wird von Fachleuten in Kommentaren und Stellungnahmen „Entwarnung“ gegeben – das Presseprivileg durch Grundgesetzartikels 5 sei gegen das Recht auf Datenschutz bei der Erstellung von Fotografien abzuwägen. Die Gesetzgeber drücken sich vor der Entscheidung oder haben das Problem schlicht übersehen. Klarheit wird erst spät geschaffen durch einzelne Gerichtsentscheidungen. Im Folgenden der Gastbeitrag eines Betroffenen.

Thomas Hobein beschreibt das Dilemma – die persönliche Sicht des engagierten Texters und Fotografen:

„Wer auf Veranstaltungen oder im öffentlichen Raum fotografiert und diese Bilder publiziert geht ein beträchtliches Risiko ein, wenn Menschen abgebildet sind. Denn eine letztendlich verbindliche Regelung zwischen dem Schutz persönlicher Daten und der Kunst- und Pressefreiheit gibt es nicht. „Die Entscheidung liegt beim Gericht“, heißt es immer wieder.

Ich bin kein Jurist und will auch keiner sein. Ich bin Kommunikations-Stratege, Designer, Fotograf und eben Blogger – und in diesem Fall ein Betroffener. Doch beginnen wir von vorn.

Schon auf europäischer Ebene wird Verantwortung abgeschoben

Die DSGVO sieht durch Artikel 85 (Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit) vor, dass die Mitgliedstaaten regeln, wie das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen ist. In unserem konkreten Fall also, wann Fotografien zu journalistischen Zwecken ohne Einwilligung dargestellter Personen veröffentlicht werden dürfen, die auf Veranstaltungen oder im öffentlichen Raum erstellt wurden.

Das deutsche Kunsturhebergesetz

Ganz unabhängig von der DSGVO regelt in § 22 das KUG ganz klar, dass die Verbreitung von Personenfotos grundsätzlich nur mit Einwilligung der Betroffenen erlaubt ist. Es sei denn, die Ausnahmen nach § 23 kommen zum Tragen. Dann können Fotos auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen publiziert werden.

Das ist der Fall, wenn die Fotografien im Zusammenhang mit zeitgeschichtlichen Ereignissen stehen. Oder wenn auf Aufnahmen von Versammlungen und Landschaften Personen nur als Beiwerk zu sehen sind. Journalisten können sich hierzulande zusätzlich auf ihre Medienprivilegien berufen.

Die Sache mit den Medienprivilegien

In Deutschland werden Journalisten durch die Landespressegesetze und durch den Rundfunkstaatsvertrag entsprechende Ausnahmen von der DSGVO eingeräumt. Hier spricht man von Medienprivilegien. Das bedeutet mit meinen Worten ausgedrückt:

  • Redaktionen und Journalisten sind keiner Datenschutzaufsicht verpflichtet.
  • Sie dürfen Bilder ohne das Einverständnis der abgebildeten Personen veröffentlichen.
  • Abgebildete Personen müssen nicht über die Veröffentlichung informiert werden und sie haben auch keinerlei Anspruch auf Auskünfte.

Doch natürlich stehen auch diese Personen nicht schutzlos da. Zum einen müssen Journalisten, die sich dem Pressekodex verpflichtet haben, nach dessen Regeln verfahren. Hier übernimmt die freiwillige Selbstkontrolle durch den Presserat die Wahrung der Rechte Betroffener. Und zum anderen kann sich jeder natürlich auf das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf das eigene Bild berufen und Schadenersatz verlangen. Dann entscheidet das Gericht.

Sind auch Blogger Journalisten?

Wer ist überhaupt Journalist? Seit Jahren beobachte ich immer wieder die Diskussion darüber, ob Blogger auch Journalisten sind. Hier wird trefflich lamentiert, polemisiert und beleidigte Leberwurst gespielt. Die einen nehmen Objektivität und Unabhängigkeit für sich in Anspruch – die anderen mehr oder weniger auch. Die einen wollen in persönlicher Weise unterhalten – die anderen schließen das auch nicht so ganz aus. Und beide haben genauso Recht wie Unrecht. Fachmedien oder Special Interest Titel sind in der Regel stark abhängig von denen, die sie finanzieren. Da ist es schlichtweg egal, wie sich die Macher nennen und ob sie digital oder analog publizieren.
Wer es genauer wissen möchte findet Aufschlussreiches in einer aktuellen Studie der Otto Brenner Stiftung, die wahrscheinlich den Bloggern gefällt und die Journalisten beruhigt. Der Titel lautet „Deutschlands Blogger – die unterschätzten Journalisten“ https://bit.ly/2licKTO
Für mich wird eine Unterscheidung der beiden Berufsgruppen aber eigentlich erst wichtig, wenn Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen ins Spiel kommen. Da lohnt es sich, schon mal genauer hinzusehen.

Gelten die Medienprivilegien auch für Blogger?

Das Grundgesetz sagt in Artikel 5, Absatz 1: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Jeder also hat das Recht journalistisch zu arbeiten – wohl auch in digitaler Form, welche den Verfassern des Grundgesetzes noch nicht bekannt waren. Und so sieht es auch der Gerichtshof der Europäischen Union. Hier werden journalistische Zwecke in jeder Tätigkeit gesehen, die zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Medium auch immer in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Nimmt man das alles ernst, müssten die Medienprivilegien für jeden gelten, der sich journalistisch betätigt, selbst wenn das nicht hauptberuflich der Fall ist. Denn es kommt nur auf den Zweck der Publikation an, nicht allein auf die Zugehörigkeit zu Presse oder Rundfunk (aus einem BGH Urteil.) Also können sich wohl auch Blogger auf die Medienprivilegien berufen, wenn sie einen Beitrag zur Meinungsfreiheit gemäß Grundgesetz Artikel 5 Abs. 1 GG leisten.

Mein Fazit

Ich persönlich berufe mich bei der Arbeit für meinen Blog endlichgutes.de zukünftig auf die Medienprivilegien und werde weiterhin auf Veranstaltungen fotografieren und die Bilder frei publizieren. Rücke ich den Leuten etwas dichter auf die Pelle – zum Beispiel für Portraits – hole ich mir die schriftliche Einwilligung der betroffenen Personen ein (Model-Releases).

Allgemein aber muss ich festhalten: Gesetze und Bestimmungen formulieren Verhaltensregeln. Sie (sollten) sagen, was richtig und was falsch ist. Auf diese Weise sollen sie jedermann Sicherheit geben und zu einem fairen Umgang miteinander beitragen. Sind sie aber inkompetent oder nachlässig ausgeführt, verlagern Risiken einseitig oder bleiben im Kern Auslegungssache – so sind sie unfair. In diesem Fall eben gegenüber Journalisten und Bloggern. Die sich mit weit auszulegenden, nicht genau definierten Rechten und Pflichten herumschlagen müssen, die da irgendwo zwischen obste und wennste herumdümpeln. Dort, wo die Gerichte entscheiden.“

Text: © 2019 Thomas Hobein

Beitragsbild: © Thomas Hobein

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